• Wiebke Salzmann

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Die Krimikarte „Zwillingsmord am Hertha-See“

Gerade schien der Mann im Boot tatsächlich etwas wie einen Becher an den Mund zu setzen – da explodierte der Wald hinter ihm.

Titel der Krimikarte

Hertha wird beim nächtlichen Bad im See Zeuge eines Brandes und stößt auf eine Leiche. Wenig später taucht eine identische Leiche in der Brandruine auf – Zwillingsschwestern. Dann stellt sich heraus, dass die beiden Toten Hauptverdächtige in einem älteren Mordfall waren. War der Brand wirklich nur ein Unfall wegen der defekten Gasflaschen? Als Jo begreift, wer der Mörder ist, sperrt der sie in den Keller der Brandruine und ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.

Krimikarte „Zwillingsmord am Hertha-See“ zum Herthasee auf Rügen und den Sagen um ihn

Klappkarte (6-seitig) im DL-Format mit Heft (56 Seiten) im DIN-A6-Format
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Die Krimis spielen an fiktiven Orten an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern. Der echte Herthasee, auf dessen Sagen der Krimi anspielt, liegt auf der Halbinsel Jasmund auf der Insel Rügen.

Der echte Herthasee auf Jasmund/Rügen

Der echte Herthasee auf Jasmund/Rügen

Foto Herthasee
Der echte Herthasee ist mit 150 m Breite kleiner als der im Krimi, es gibt auch keine Hütte an seinem Ufer und man kommt nicht mit dem Auto an ihn heran. Wie der im Krimi liegt auch der echte See inmitten eines herrlichen Buchenwaldes.

Auf der Insel Rügen liegt in der Nähe der Stubbenkammer auf der Halbinsel Jasmund ein kleiner, dunkler See, ca. 150 m breit und 11 m tief. An seinem nordöstlichen Ufer liegt ein bis zu 17 m hoher slawischer Ringwall aus dem 8. bis. 12 Jh. Hier soll die (allerdings germanische) Göttin Hertha verehrt worden sein.

Die Verehrung der Hertha (bzw. Nerthus) erwähnt bereits Tacitus, im 17. Jh wurde diese Sage dann mit dem Borgsee (auch Schwarzer See genannt) auf Rügen in Verbindung gebracht. Zwar gilt dies inzwischen als unwahrscheinlich, dennoch nutzte ein findiger Gastwirt die Geschichte im 19. Jh, um den Tourismus und seinen Umsatz zu fördern, weshalb der See heute Herthasee und der früher einfach Borgwall genannte Wall inzwischen Herthaburg heißt.

Hertha geht vermutlich zurück auf die germanische Gottheit Nerthus (wie übrigens auch die Figur der Frau Holle bzw. Frau Perchta), die von Tacitus als Mutter Erde bezeichnet wird.

Foto Slawenwall 'Herthaburg'
Der Wall der Herthaburg endete früher am Herthasee – inzwischen gibt es am Westende des Walls einen Durchbruch, durch den der Wanderweg führt.

Die Herthaburg ist eine slawische Wallburg aus der Zeit um 700 bis 1100. Die Anlage ist insgesamt ca. 180 m breit, ihre Südseite liegt offen zum Seeufer hin. Möglicherweise führte der Zugang zur Burg damals über den See. Der Wall ist außen bis 17 m, innen bis 8 m hoch.

Sagen um den Herthasee

Sagen um den Herthasee

Foto Herthaburg
Der Weg führt hoch über dem See um das steil abfallende Ostende des Burgwalls herum ins Innere der Wallanlage.

Mehrmals im Jahr fuhr Hertha in einem von zwei Kühen gezogenen und mit Schleiern bedeckten Wagen über Land. Anschließend wurden die Göttin sowie ihr Wagen im Herthasee gebadet, doch wurden die Sklaven, die dabei halfen, danach ertränkt, damit nichts von dem Geschehen weitergetragen werden konnte.

Auch heute soll noch oft, besonders im hellen Mondschein, eine schöne Frau aus der Richtung, wo die Herthaburg liegt, zwischen den Bäumen hervorkommen. Begleitet von vielen Dienerinnen geht sie zum See, um zu baden. Eine Weile hört man nur das Plätschern der badenden Frauen, bis sie nach einer Weile herauskommen und bedeckt von weißen Schleiern wieder im Wald verschwinden. Wird ein nächtlicher Wanderer Zeuge des Bades, zieht ihn der See unwiderstehlich an. Sobald er aber das Wasser berührt, verschlingt es ihn für immer. Man sagt, dass die Frau jedes Jahr einen Menschen in den See locken müsse.

Man durfte auch nicht mit dem Boot auf den See. Vor Jahren haben jedoch ein paar Leute dieses Verbot missachtet und sind zum Angeln auf den See gefahren. Sie ließen das Boot anschließend über Nacht am Seeufer und fanden es am nächsten Morgen hoch oben auf einer Buche wieder. Vom Grunde des Sees rief eine Stimme: „Ich und mein Bruder Nickel haben das getan.“

Foto Großsteingrab 'Pfenniggrab'
Das Pfenniggrab.

Ein in der Nähe des Herthasees liegendes Groß­steingrab trägt den Namen Pfenniggrab. Hier sollen die Priester der Hertha das Opfergeld deponiert haben.
Es handelt sich um einen Großdolmen – ein Dolmen ist ein Bauwerk aus aufrecht stehenden Tragsteinen, auf denen Decksteine lagen. Bei mehr als zwei Decksteinen spricht man von Großdolmen. Beim Pfenniggrab sind die Decksteine jedoch nicht mehr erhalten. Vermutlich dienten die Dolmen als Grabstätten.

Foto Stein mit angeblichen Fußabdrücken
Geheimnisvolle Fußabdrücke im Stein …

Die Vertiefungen auf diesem Stein in der Nähe der Herthaburg ähneln Fußabdrücken. Damit hat es der Sage nach folgende Bewandtnis:

Eine der Dienerinnen der Göttin Hertha traf sich nachts mit einem Adligen, was natürlich verboten war, denn die Dienerinnen hatten immerwährende Jungfräulichkeit geschworen. Um die Schuldige zu finden, mussten alle Die­nerinnen über den Stein steigen. Als die Verliebte den Stein betrat, drückten sich ihr Fuß und der des Kindes, das sie unter dem Herzen trug, in den Stein. Diese Fußspur überführte die Schuldige.

Zur Strafe stürzte der Priester sie die Kreide­küste hinab. Hertha jedoch hatte Erbarmen und rettete sie, indem sie sie zu ihrem Geliebten auf dessen Schiff gelangen ließ.

Leseprobe aus dem Krimi „Zwillingsmord am Hertha-See“

Leseprobe aus dem Krimi „Zwillingsmord am Hertha-See“

Das Cover zum Krimi 'Zwillingsmord am Hertha-See'
Das Cover des Krimis „Zwillingsmord am Hertha-See“

Sämtliche auftretenden Personen sind fiktiv. Die Hauptpersonen sind zwei Freundinnen Anfang 30: Die große, hagere Hauptkommissarin Katharina Lütten und die kleine, zierliche Freifrau Johanna (plus 6 weitere Vornamen) von Musing-­Dotenow zu Moordevitz, genannt Jo, ehrenamtlich die Wehrführerin der örtlichen freiwilligen Feuerwehr. Beide bilden auf Schloss Moordevitz eine WG, betreut und bekocht vom „Hausdrachen“ Hertha.
Weitere Nebenfiguren sind einige Feuerwehrleute wie der lange Meier und der etwas dusselige kurze Meier, Katharinas Kollegen wie der hypochondrisch veranlagte Kommissar Pannicke, die muntere Levke und der schweigsame Finn sowie die Rechtsmedizinerin Jacqueline Rüppke, auch Jack the Rüpper genannt.

Foto Buchenwald auf Jasmund
Buchenwald auf Jasmund

Automatisch hielt Hertha den Atem an, doch das Wasser war nicht so kalt wie erwartet. Rasch tauchte sie unter, um gar nicht erst ans Zögern zu denken, und schwamm in ruhigen Zügen hinaus auf den See. Inzwischen war es dunkel geworden, aber ein geradezu unirdisch heller Vollmond schickte sein Licht auf die Wasseroberfläche, wo es von den Wellen um Herthas Arme zerpflückt wurde. Der Rest des Sees lag spiegelglatt vor ihr, die Buchen ringsherum standen unbewegt. Hertha fand den hellen Schein, in dem sie sogar Farben erkannte, in erster Linie praktisch – aber selbst ihre nüchterne Natur war nicht gegen das Schimmern der Wellen und die Stille der Nacht gefeit.

Als sie den See eineinhalb Mal umrundet hatte, spürte sie die Kälte des Wassers, sie würde bald aus dem Wasser steigen müssen, um nicht auszukühlen. Sie wandte sich um – und verharrte in der Bewegung. Da war etwas auf dem See, etwas trat aus dem Schatten der Buchen hervor. Ein Ruderboot, mit einem Menschen darin, einem Mann, wie Hertha vermutete. Rings um die Bordwand zog sich eine helle Zackenlinie. Reglos hing Hertha im Wasser und beob­achtete den Ruderer. Was machte jemand hier um die Zeit in einem Ruderboot? Sie würde best­immt zehn Minuten brauchen, um das Ufer mit ihren Sachen wieder zu erreichen …

Dann schüttelte sie den Kopf über sich selbst. Mit Fug und Recht könnte der Bootfahrer sich dasselbe über sie fragen. Vermutlich wollte er genau wie sie die nächtliche Ruhe genießen und war ebenfalls enttäuscht, nicht allein auf dem See zu sein. Trotzdem musste sie den Rückweg antreten, sie merkte, wie die Kälte des Wassers durch ihre Haut drang.

Die Gestalt im Boot nahm einen länglichen Gegenstand in die Hand. Herthas inneres Alarmsystem sprang sofort wieder an, aber sie hörte es leise gluckern. Der Mann goss nur irgendetwas aus einer Flasche oder Thermoskanne. Hertha machte sich beruhigt auf den Rückweg, in Rückenlage, den Bootfahrer im Blick. Gerade schien er tatsächlich etwas wie einen Becher an den Mund zu setzen –

da explodierte der Wald hinter ihm.

*

Hertha hastete aus dem Wasser, achtete nicht auf die piekenden Bucheckern unter ihren Fußsohlen. Wo hatte sie – Stopp. Erst mal stehen bleiben und durchatmen. Hektik half nie. Ja, da lagen ihre Sachen. Sie lief hinüber und riss ihr Handy aus der Tasche, wählte 112.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung fragte die berühmten 5 W-Fragen ab. Wer rief an – Hertha Böhmer, wo brannte es – am Hertha-See. An dieser Stelle wappnete Hertha sich gegen irgendwelche überflüssigen Bemerkungen, aber der Mann in der Leitstelle war ein Profi, der sich so etwas verkniff. Was brannte – na, der Wald brannte, was sonst mitten im Wald? Hertha unterbrach sich selbst. Nein, was da brannte, musste diese alte Hütte sein, die gegenüber ihrer Lieblingsbadestelle stand. Sie wirkte baufällig, aber ein paar Mal hatte Hertha hier schon Leute baden oder angeln sehen. Waren Personen in Gefahr? War sie in Gefahr? Nicht direkt. Aber der Mann im Boot? Sie suchte das Wasser mit Blicken ab, dann sah sie den Ruderer, ein schwarzer Scherenschnitt vor den Flammen. Das Feuer schoss Funkensalven ab, goss rotes Licht in den See. Vor dem Feuerschein tauchte eine zweite Silhouette auf. Hertha kniff die Augen zusammen.

Da schwamm jemand. Jemand bewegte sich vom brennenden Ufer auf das Boot zu. Ein Ruf gellte über das Wasser, die Stimme einer Frau.

Doch, es waren möglicherweise Personen in Gefahr, teilte Hertha der Leitstelle mit und beobachtete, wie die Schwimmerin das Boot erreichte. Der Ruderer beugte sich vor, das Boot geriet in Schieflage, schaukelte bedenklich, aber der Mann zog die Frau hinein. Dann legte der Bootsfahrer sich in die Riemen und das Boot entfernte sich vom Feuer, hinüber zum gegenüberliegenden Ufer. Ob noch weitere Personen in der Hütte waren, konnte sie nicht erkennen.

Der Mann in der Leitstelle riet Hertha dringend, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Falls sich das Feuer zu einem Waldbrand auswachsen sollte, könnte sie eingeschlossen werden. Hertha befolgte den Rat, nicht umsonst arbeitete sie für die Leiterin der örtlichen Feuerwehr. Schräg gegenüber loderten die Flammen inzwischen haushoch, schienen sich aber nicht auszubreiten. Was hatten sie über den nicht enden wollenden Regen im Spätsommer gejammert – nun rettete ihr genau diese Nässe möglicherweise das Leben.

Hertha raffte ihre Sachen zusammen, eilte den Pfad hinab zu ihrem Auto, warf ihre Tasche auf die Rückbank, startete den Motor und holperte den Waldweg entlang. Gerade war sie um das Ende des slawischen Burgwalls gebogen, da sah sie Blaulicht zwischen den Buchen pulsieren. Das Löschgruppenfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Moordevitz raste auf sie zu. Hertha überlegte schon, ob sie sich durch einen Hechtsprung aus dem Auto heraus zwischen die Bäume retten musste, da hatte der lange Meier ihren Kombi offenbar gesehen und bremste ab. Während das Feuerwehrauto an ihr vorbeifuhr, erhaschte Hertha einen Blick in das ungläubige Gesicht ihrer Arbeitgeberin, die als zuständige Wehrführerin und Einsatzleiterin auf dem Beifahrersitz saß.

Hertha seufzte. Da würde sie am nächsten Morgen jede Menge Fragen beantworten müssen.

Es war wohl doch ein Fehler, die nächtlichen Badeausflüge wieder aufzunehmen. Der letzte lag fast sieben Jahre zurück. Seit dem scheußlichen Ereignis damals war sie nicht mehr hier gewesen. Fürchterlich, was über sie in der Presse verbreitet worden war!

Zügig, aber natürlich im Rahmen der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit, umrundete Hertha den See, bis sie auf die Straße nach Musing-Dotenow traf. Sie fuhr auf den kleinen Waldparkplatz. Hier gab es einen Steg, der in einer Aussichtsplattform endete, mit Blick genau auf die brennende Hütte. Sie wollte sich vergewissern, ob sich der Brand nicht doch noch ausweitete. Auf das Geländer des Stegs gestützt beobachtete Hertha das zwischen den Bäumen pulsierende Blaulicht des Einsatzfahrzeugs. Bleicher Wasserdampf quoll jetzt auf. Flammen färbten die Schwaden rot, jagten sie durch die Äste und schickten Funkenscharen hinterher. Dampf breitete sich wieder aus, Feuerzungen warfen sich nach oben, hin und her wogte der Kampf. Endlich sank das Feuer in sich zusammen, im selben Maß drangen die Dampfwolken abwärts. Ihre rötliche Farbe ging in ein bläulich-bleiches Pulsieren über.

Hertha löste ihre verkrampften Hände vom Geländer und drehte sich um, um endgültig den Heim­weg anzutreten. Da blieb ihr Blick an etwas hängen. Etwas trieb im Wasser, einige Meter vom Ufer entfernt. Etwas, das aussah wie ein Mensch.

War noch jemand vor den Flammen in den See geflohen? Hertha eilte den Steg entlang zurück zum Ufer und watete in den See. Der Grund des Sees senkte sich nur allmählich ab, sie erreichte die treibende Person watend. Denn es war ein Mensch, reglos, mit dem Gesicht nach unten im Wasser liegend. Genauer – eine junge Frau. Hertha zerrte die schlaffe Gestalt ans Ufer und drehte sie auf den Rücken. Sie verhedderte sich in den langen, nassen Haaren der Frau. Hertha suchte die Halsschlagader und tastete nach einem Pulsschlag. Beiläufig bemerkte sie angewachsene Ohrläppchen, aber ein Puls war nicht zu fühlen.

Ein Blick in die reglos in den Himmel starrenden Augen sagte Hertha, dass hier vermutlich jede Hilfe zu spät kam.

Sie brauchte einen Moment, um sich zu fassen. Dann fing jetzt alles von vorn an? Diese ganzen Scheußlichkeiten? Trotzdem würde sie Wiederbelebungsmaßnahmen ergreifen, schließlich kannte sie ihre Menschenpflicht.

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